Drei Personen betrachten eine bunte Ausstellungswand.

Bundesweit präsent,
Aktiv vor Ort

Flensburg: Museumspädagogische Werkstattgespräche

Phänomenta, Schifffahrtsmuseum Flensburg

Im hohen, und in diesem Falle sogar kalten, Norden haben sich für das Werkstattgespräch zwei knappe händevoll Museumspädagogen versammelt, um spannende Dinge zu sehen und zu besprechen.

Am Anfang stand der Besuch der Phänomenta, der 'Ur-Mutter' aller Science Center, wie die Einladung so schön formulierte. Da ich als neunter Finger noch nicht dabei war, berichte ich aus zweiter Hand, dass die Ausstellung auf ihre eigene Art noch immer ganz die alte ist.

In der Dunkelheit ging es dann aufs Gut Oestergaard, wo statt einzelner kleiner Zimmer großzügigste Appartements mit bester Ausstattung – inklusive Kaminofen –  warteten. Bei knisterndem Feuer verholten wir uns (um im Nord-Slang zu bleiben) abends nach gemeinsamer Vorbereitung und Vertilgung des Essens in die gemütliche Sofaecke. Dort haben wir uns - körperlich faul aber geistig rege – mit den Ereignissen des museumspädagogischen Tages befasst. Etwa mit den Besuchen des neu gestalteten und erweiterten Schifffahrtsmuseums Flensburg sowie dem neueröffneten „Heinrich Sauermann Haus“ des Museumsbergs Flensburg.

Im Schifffahrtsmuseum begrüßte und begleitete uns Susanne Grigull. Zuständig für die pädagogischen Programme und beteiligt an der Umgestaltung, besonders der neuen Zucker-Rum Ausstellung, die im Zusatzgebäude des Museums zu sehen ist.

Bei Kaffee, Keksen und Tee im Museumscafé erfuhren wir, dass besonders Familien und Touristen die Zielgruppe des Museums sind. Der Shop hat eine dementsprechend große Auswahl an maritimen Büchern, Spielzeugen und nützlichen Kleinigkeiten. Uns hat es besonders das Tee-Ei in Form einer Boje angetan.

Die pädagogischen Programme und Führungen im Schifffahrtsmuseum werden von Honorarkräften durchgeführt, unterstützt von Eherenamtlern, die Aktivitäten wie die Knotenkunde oder die Seilerei betreuen. Auch im Neubau, in dem große Schiffskessel- und Motoren erstmals einen Ausstellungsort gefunden haben, betreuen vor allem Ehrenamtler die Besucher. Sie sind vielleicht weniger pädagogische, dafür sehr authentische Vermittler, wie wir in unseren anregenden Gesprächen selbst erfahren durften. Susanne Grigull betonte, dass sich alle dieses Wertes bewusst seien. Das Sammeln des vorhandenen Wissens soll wenigstens die fachliche Seite erhalten, wenn 'die letzten ihrer Art' irgendwann einmal ausscheiden.
 
In dem gläsernen 'Kessel' Neubau sind neben den ehemaligen Maschinisten als unmittelbare Wissensquelle vor allem Medien-Stationen untergebracht, die einen Einblick über die Entwicklung der Schifffahrt und des Lebens an Bord vermitteln.
Im Rest der Ausstellung finden sich eben solche Stationen, allerdings sparsam eingesetzt.

Grundidee bei der Umgestaltung der Ausstellungsräume des Bestandsgebäudes war, aus einer umfangreichen Sammlung vieler gleichartiger Dinge (wie Schiffskompasse) eine Auswahl zu treffen, und damit den  'Dachbodencharakter' der alten Ausstellung aufzulösen. Stattdessen erfahren die Besucher vermehrt über Inszenierungen, Themen-Nischen und  Mitmach-Bereiche etwas über einzelne Aspekte der Geschichte Flensburgs und seines Hafens. Das Ergebnis ist eine teilweise sehr aufgeräumte Ausstellung, die ihren verminderten Bestand nicht allein dem Konzept verdankt, sondern auch den Ansprüchen der Architekten und Gestalter. Um die Gebäudestruktur stärker zur Geltung kommen zu lassen, sind einige Flächen bewusst von Exponaten frei gehalten.

An diesem Punkt trat die immer wieder interessante Frage auf, welche verschiedenen Gestaltungs- und Vermittlungsinteressen in der Vorbereitung einer Ausstellung aufeinandertreffen, und welche Wege dorthin sich schließlich durchsetzen bzw. ob und welche Kompromisse gefunden werden.
Es geht auch um den Spagat, eine Ausstellung sowohl für den Einzelbesucher spannend als auch für Gruppen nutzbar zu gestalten. Interessant war in diesem Zusammenhang zu sehen, wie Gestaltungs- und Vermittlungsansätze schließlich von den Besuchern 'kreativ' umgewandelt werden; die in der Inszenierung Ziegelei und Ziegeltransport angebotenen Spielsteine zum Bauen kleiner Gebäude usw. verschwinden immer wieder als Souvenirs in den Taschen der Besucher. Diese nutzen zum 'Bauen' lieber die echten Ziegel aus der Inszenierung zum Be- und Entladen des Schiffsprofils, das mitsamt der Ziegel eigentlich als  'Exponat' gedacht ist.

Nach dem Besuch der museumspädagogischen Räume im Keller des Erweiterungsgebäudes und der Ausstellungsbereiche zu Flensburger Werften, den Butterfahrten, der Geschichte des Zuckerhandels und der Rumherstellung hieß es, Beine in die Hand nehmen; der Museumsberg rief. Susanne Grigull wies den Weg, so dass wir nach Ersteigung der Anhöhe fast pünktlich und kurzatmig vor Svenja Ganschow und ihrer Kollegin standen; gespannt auf die Vorstellung des neu gestalteten „Heinrich Sauermann Hauses“.

Der Flensburger Möbelfabrikant Heinrich Sauermann (1842-1904) hat mit seiner privaten Sammlung von historischen Möbeln aus verschiedenen Epochen den Grundstock  für ein Flensburger Gewerbemuseum zusammengetragen. An diesen kunstfertig hergestellten Möbeln sollten sich die Lehrlinge seiner Fabrik stilistisch bilden. Dieser interessante Ursprung des Hauses ist kurz in der Eingangshalle thematisiert. Die weiteren Räume befassen sich vor allem mit der Möbelsammlung selbst, aus der einige Stücke erstmalig gezeigt werden, und besonders der Sammlung verschiedener Bauernstuben aus dem norddeutschen und niederländischen Raum.

Die Auswahl der Exponate sowie die Themenstellung für einzelne Bereiche wurden bei der Umgestaltung in die Hände verschiedener Wissenschaftler gelegt, die ihre jeweiligen Ideen zur Darstellung umsetzten.

Besonders bei den Bauernstuben fiel auf, dass auch hier das Leitmotiv „weniger ist mehr“ vorherrschte. Bewusst wird auf eine Beschriftung verzichtet, Informationen stehen dem Besucher an Terminals zur Verfügung, die an verschiedenen Stellen des Museums zu finden sind. In den Stuben entspann sich eine Diskussion darüber, ob es richtig sei durch eine unkommentierte und beschriftungsfreie Aufstellung solcher Stuben den Eindruck zu vermitteln, zumindest aber zu unterstützen, dass es sich um eine Abbildung von ehemals realen Verhältnissen handelte.

Das komplett neu errichtete Kindermuseum im „Heinrich Sauermann Haus“ umfasst zwei Räume zum Thema Kinderspiel und Kinderalltag; und weckte – wie es sich für unsere Zunft schließlich gehört –  auch die Kinder in uns. Besonders im „Schulraum“, dessen Einrichtung nicht aus Beständen der Sammlung stammt, sondern eigens beschafft werden musste, erwachte der Spieltrieb. An Mitmachtischen können Fliesenmotive mit Hilfe von Schablonen auf Papier gebracht oder Sütterlinbuchstaben kennengelernt werden.

Über die weitere Nutzung dieser Räume im Rahmen von pädagogischen Programmen erfuhren wir nichts, da kein explizit museumspädagogisches Personal vor Ort ist. Das Kindermuseum in erster Linie gedacht, von Einzelbesuchern bespielt zu werden. Auch hier sollen die Exponate, die auf Kinderhöhe platziert sind, für sich selbst sprechen. Das Konzept verzichtet absichtlich auf eine kindgerechte oder Eltern Hinweise liefernde Beschriftung.

Angefüllt mit den Eindrücken des Tages kehrten wir an unseren Kamin zurück, genossen ein gemeinschaftlich zubereitetes Menü und ließen den Abend bei Wein, Wasser und Knabberkram ausklingen.

Vor unserer Abfahrt am Sonntag informierte uns Hans-Georg Ehlers noch über den Erfolg des Bundesverbandes Museumspädagogik, der mit dem Konzept der „MuseobilBox“ vom Bundesministerium für Bildung und Forschung im Rahmen der „Bündnisse für Bildung. Kultur macht stark“ als förderungswürdig anerkannt wurde.
Ab 1.1.2013 soll in Dortmund das Projektbüro eingerichtet sein, und die Arbeit kann losgehen. Bis 2017 läuft das Projekt (weiterführende Links hierzu siehe unten).

Allen Gastgebern, Organisatoren und Teilnehmern ein herzliches Dankeschön für ein schönes Wochenende mit interessanten Einblicken und anregenden Gesprächen.

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